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Samuel Hahnemanns Einführung in die Homöopathie

Das Gefüge des Organons

Die Systematik des Organons liegt im Original leider keineswegs offen zu Tage. Dies liegt zum einen daran, dass sich die inhaltliche Gliederung nicht in der Gestaltung wiederfindet. Zum anderen wird auch durch die Sprache nur auf die einschneidenderen Themenwechsel besonders hingewiesen. Schließlich sorgt der Sprachstil insgesamt für Unübersichtlichkeit zumindest für heutige Leser, die mit ihm nicht vertraut sind.

Dennoch: Das Organon ist im Großen und Ganzen stimmiger und logischer aufgebaut, als vielleicht zuweilen erkannt wird. Um dies zu sehen, ist es hilfreich, Hahnemanns Argumentationen und Argumentationsversuchen nachzuspüren, aus denen sich ein Teil des Aufbaus bereits zwingend ergibt. Ein kurzer Abriss des inhaltlichen Gerüstes soll dies andeuten.

Teil I: Grundlegung Teil II: Durchführung
Theoretische Herleitung Erkenntnis der Erkrankungen
Empirische Grundlagen Kenntnis der Heilmittel (Arzneien)
Erklärungsversuch Anwendung der Arzneien
Wahl der spezifischen Arznei
Besonderheiten bestimmter Erkrankungsformen
Behandlungsablauf
Arzneiherstellung
Darreichung der Arzneien

Teil I: Grundlegung

Theoretische Herleitung

Hahnemann beginnt mit der Feststellung, was die Bestimmung des Arztes ist, nämlich die nachhaltige Beseitigung der Erkrankungen auf möglichst schnelle und schonende Weise, wobei sein Vorgehen durch deutliche, nachvollziehbare Gründe geleitet werden muss. Hieraus ergeben sich die Hauptaufgaben des Arztes:

  • Erkenntnis der Erkrankungen,
  • Kenntnis der Heilmittel (Arzneien),
  • Anwendung der Arzneien
    (Wahl, Wiederholung, Zubereitung, Dosierung, ...).
Zunächst geht Hahnemann diese Hauptaufgaben theoretisch an und ermittelt was sich bereits aus logischen Erwägungen für die Bewältigung dieser Aufgaben ergibt. Basis sind dabei die Begriffe von Gesundheit als an sich stabilem Normalzustand und von Erkrankung als Abweichung davon. Er erhält folgendes:
  • Erkrankungen sind mit der Gesamtheit ihrer Symptome zu identifizieren.
  • Arzneien offenbaren ihre Heilwirkung gerade durch die Symptome, die sie an Gesunden hervorrufen.
  • Die (gottgegebene) Zuordnung von Heilmitteln zu Erkrankungen muss als Zuordnung der jeweiligen Symptomengesamtheiten darstellbar sein. Hier kommen prinzipiell hetero-, anti- und homöopathische Zuordnung in Frage.
Unter Vorgriff auf die anschließend angeführten Erkenntnisse aus der Erfahrung identifiziert Hahnemann die Ähnlichkeitsregel als einzig mögliches und tatsächlich wirksames Heilgesetz.

Empirische Grundlagen

Der zweite Themenbereich befasst sich mit den empirischen Erkenntnissen, die den vorigen Schluss rechtfertigen. Sie werden zunächst in dem als Erfahrungssatz deklarierten homöopathischen Naturheilgesetz zusammmengefasst. Konkret sind folgende Aussagen empirisch zu belegen, worum sich Hahnemann in der Folge (in etwas anderer Reihenfolge) bemüht:

  • Eine nicht-homöopathische Zuordnung Erkrankung - Arznei bewirkt keine Heilung, d. h. wenn Heilung eintritt, dann nur nach homöopathischen Einflüssen (natürlicher oder künstlicher Art).
  • Homöopathische Arzneien heilen tatsächlich (u. a. auch wegen der Vorzüge der Arzneizubereitungen), insbesondere sind sie stärker als die Erkrankungen.
Als Gegenpol zum homöopathischen Verfahren, geht Hahnemann noch genauer auf das antipathische Verfahren ein. - Er bemerkt, dass alle diese Erfahrungen schon längst zur Homöopathie hätten führen können.

Erklärungsversuch

Den Grundlagenteil schließt Hahnemann mit einem Erklärungsmodell. Die Erfahrungen über die Reaktionen des Organismus/der Lebenskraft auf äußere Einflüsse führen Hahnemann dazu, diese Abläufe im Prinzip als Verhalten eines gedämpft schwingenden Systems zu beschreiben. Damit und mit der Vorstellung, dass eine (stärkere) homöopathische Arznei eine (schwächere) ähnliche Erkrankung auslöscht, die Wirkung einer unhomöopathischen Arznei sich aber mit der unähnlichen Erkrankung überlagert, versucht er die Wirksamkeit des homöopathischen und die Unwirksamkeit des antipathischen Verfahrens zu erklären.

Teil II: Durchführung

Der zweite Teil des Organons beschäftigt sich mit der praktischen Bewältigung der Hauptaufgaben des Arztes in der o. g. Reihenfolge.

Erkenntnis der Erkrankungen

Nach einer Systematisierung der Erkrankungen wird ihre praktische Erforschung behandelt. Gemäß den theoretischen Vorüberlegungen sind dazu gerade deren Symptomengesamtheiten festzustellen. Hierfür gibt Hahnemann recht detaillierte Vorschriften an.

Kenntnis der Heilmittel (Arzneien)

Die Kenntnis der Arzneien besteht, ebenfalls nach den theoretischen Vorüberlegungen, in der Kenntnis der Symptomengesamtheiten, die sie an Gesunden hervorrufen. Als Grundlage stellt Hahnemann zunächst allgemeine Aussagen über die Arzneiwirkung auf. Im Anschluss erläutert er Handlungsanweisungen für die durchzuführenden Arzneiprüfungen.

Anwendung der Arzneien (Wahl, Wiederholung, Zubereitung, Dosis ...)

Es bleibt noch, die Wahl der spezifischen Arznei zu einer Erkrankung sowie ihre Herstellung, Dosierung und Wiederholung zu klären. Zunächst widmet sich Hahnemann der Wahl der Arznei - die Regel dazu ist ja bereits aufgestellt - und den dabei evtl. bestehenden Problemen sowie den Besonderheiten, die bei gewissen Erkrankungen zu berücksichtigen sind. Es hat durchaus seine Berechtigung, sich anschließend zunächst mit den Folgeverordnungen zu beschäftigen, wie Hahnemann dies tut, da es sich hierbei einerseits um die Beurteilung der getroffenen Arzneiwahl und andererseits um eine eventuelle Wiederholung der Arzneiwahl handelt. Damit ist man dann aber beim Ablauf der Behandlung, wozu auch die dabei anzuwendende Diät und Lebensordnung zu rechnen sind. Vor der Dosierungsfrage muss dann noch die Herstellung der Arzneien behandelt werden, da diese die Darreichungsformen bestimmt.

Wahl der spezifischen Arznei

Die Wahl der Arznei ist nach der Ähnlichkeitsregel zu treffen. Die erste Frage, die sich dabei stellt und die Hahnemann angeht, ist die nach der Bewertung der Symptome bei dieser Wahl. - Um die Richtigkeit der Arzneiwahl beurteilen zu können, muss man auch wissen, wie die Heilung nach Anwendung der spezifischen (richtigen) Arznei verläuft. Hier kommt die homöopathische Verschlimmerung ins Spiel. - Schließlich sind die Probleme zu betrachten, die bei der Arzneiwahl auftreten können: fehlende Arzneikenntnis und geringe Zahl an Krankheitszeichen. Hahnemann gibt an, wie man damit umgehen soll.

Besonderheiten bestimmter Erkrankungsformen

Für gewisse Erkrankungsformen sieht Hahnemann die Notwendigkeit, bei ihrer Untersuchung bzw. Behandlung bestimmte Dinge zu beachten, und zwar bei

  • Lokalerkrankungen,
  • chronischen Erkrankungen,
  • Geistes- und Gemütserkrankungen,
  • Wechselfiebern.

Behandlungsablauf

Nach getätigter Arzneiwahl drängen sich neben den Fragen nach der zweckmäßigen Zubereitung und Dosierung der Arznei (die später behandelt werden) sofort weitere Fragen auf: Wie beurteilt man den Heilungsverlauf? Wie reagiert man auf den Heilungsverlauf? Das heißt: Wann wiederholt man das Mittel? Wann wechselt man zu einer anderen Arznei? Ferner: Wie hat man seinen Lebensablauf einzurichten, damit die Arznei gut wirken kann und die Heilung möglichst beschleunigt wird? Hahnemann beantwortet diese Fragen in leicht abweichender Reihenfolge.
[Im Hinblick auf das Textgefüge wirkt der im Zusammenhang mit der Folgeverordnung notwendige Vorgriff auf das Potenzierungsverfahren etwas unglücklich. Eventuell wäre ein Vorziehen der Abschnitte über die Herstellung und die Dosierung der Arzneien von Vorteil gewesen.]

Arzneiherstellung

Fast schon am Ende des Organons widmet sich Hahnemann der Dynamisierung, dem Herstellungsverfahren für die in der Homöopathie verwendeten Arzneipotenzen. Die konkrete Durchführung dieser Methode ist bis ins Detail angegeben. Dieses Verfahren leitet Hahnemann weder her, noch versucht er die Wirksamkeit der so gewonnenen Arzneipotenzen zu erklären. Es ist ausschließlich als Ergebnis seiner Experimente anzusehen!

Darreichung der Arzneien

Folgende Fragen sind noch offen: In welchen Kombinationen dürfen die Arzneien angewendet werden? In welcher Dosierung sind die Arzneipotenzen anzuwenden? Auf welche Art sind sie einzunehmen? - Die Behandlung der Dosierungsfrage ist ein gutes Beispiel für die klare Struktur in Hahnemannns Argumentationen. Er nähert sich dieser Frage zuerst theoretisch an und begründet die Schädlichkeit zu großer Gaben. Aus der Erfahrung entnimmt er dann die Heilsamkeit kleinster Gaben wohl dynamisierter, homöopathischer Arzneien. Aus beidem zusammen leitet er seine Dosierungsvorschrift ab.